Glück, Zufall, Können?
Anläßlich unserer Winterbesteigung – zusammen mit Dani Arnold, Tibu Villavicencio und Stephan Siegrist – hat mich ein Journalist interviewt…
14 Jahre lang hat es keiner mehr geschafft, den Cerro Torre im Winter zu besteigen. Warum? Was macht den Berg so besonders bzw. besonders schwer?
Der Torre ist einfach ein besonderer Berg. Wer einmal vor dem Torre gestanden ist weiß warum. Dazu braucht es keine Worte. Von allen Seiten ragt dieser Berg über 1.000 Meter senkrecht empor, er ist schwierig zu besteigen, aber mit den heutigen Mitteln und dem Können vieler Bergsteiger machbar. Die einzige manchmal unkalkulierbare Komponente ist in Patagonien das Wetter. Nirgendwo auf der Welt hat das Wetter eine Dynamik wie hier in Patagonien. Stürme, die aus dem nichts kommen und bis zu 200 km/h stark sind, sind in dieser Region keine Seltenheit.
Warum erst nach 14 Jahren? Vielleicht weil keiner Lust hatte den Torre in der kalten Jahreszeit zu besteigen.
Was habt Ihr besser gemacht als die bisher gescheiterten Expeditionen? Glück, Zufall, Können?
Wir hatten Glück, wir waren schnell, wir waren ein super Team. Es hat sich keiner in den Vordergrund gerückt. Wir haben alle gemeinsam das eine Ziel fokussiert: das Wetter 100% auszunützen und den Gipfel des Torre zu erreichen.
Stephan war schon einmal oben – hat die Expedition von seinen Erfahrungen profitiert?
Jede Expedition profitiert vom Know-how eines einzelnen. Mit den ganzen Erfahrungswerten, die wir alle bezüglich des Patagonien-Bergsteigens haben, ist es uns gelungen, innerhalb von drei Tagen – von El Chalten aus gerechnet – auf dem Gipfel zu stehen.
Die Nächte im patagonischen Winter sind sehr lang und kalt. Wie hält man diese andauernde Kälte aus?
Ja, weil wir nicht nur unser Training auf das Projekt abgestimmt haben. Auch unser Material wurde sorgfältig ausgewählt. Wir hätten Schlafsäcke, gute warme Bekleidung dabei. Würden wir die lange Biwaknacht von über 12 Stunden ununterbrochen zittern vor Kälte, könnten wir am Tag keine Leistung abrufen.
Ihr berichtet auch von einer „Märchenlandschaft von unwirklichen Eisgebilden“, der „traumhaften Ferrari Route“, von fantastischen Ausblicken und einem perfekt funktionierendem Team – hört sich nach einem gemütlichem Spaziergang durch eine Traumlandschaft an. Das war es wohl aber eher nicht?
Der Torre ist kein Spaziergang, jeder Meter speziell im Winter ist fordernd. Jedoch dieser Berg, speziell diese Route ist einzigartig auf dieser Welt und es ist ein Geschenk, bei gutem Wetter durch diese Eispilze zu steigen.
Ihr seid die letzten Meter ungesichert auf den Gipfel – ist das trotz Windstelle nicht riskant?
Riskant ist es immer, wenn man sich der Gefahr nicht bewusst ist. Außerdem sind die letzten Meter wirklich kein großes Problem mehr.
Überhaupt, wie kommt man auf die Idee, im Winter auf den Torre zu steigen, wo das Risiko höher ist als im Sommer?
Weil das Winterbergsteigen in Patagonien etwas Besonderes ist. Für mich ist das Patagonien und mit Sicherheit war das nicht das letzte Mal! Vielleicht ist sogar das Risiko geringer als im Sommer, weil man in der kalten Jahreszeit den durch die Sonneneinstrahlung hervorgerufenen Eisschlag vernachlässigen kann.
Was war schöner: den Gipfel tatsächlich zu erreichen oder die Freude über Brot, Salami und Bier, die euch eure einheimischen Freunde Hector und Luis auf dem Rückweg entgegenbrachten?
Alles! Weil eben alles, jeder Moment, zusammengehört. Das geht schon in der Heimat los… das Packen, der Flug, die Spannung, das Ungewisse, die Fahrt nach Chalten, die Vorfreude, das Klettern, der Gipfel, der endlose Weg zum Marconi und das erste Bier…. Einfach alles! Es war genial mit guten Freunden, über den Torre, eine perfekte Zeit erlebt zu haben.
Kannst du die Winterbesteigung mit anderen Routen/Landschaften vergleichen, war sie etwas Besonderes für dich? Du warst ohne deinen Bruder unterwegs – fehlt das beim Klettern, weil ihr mittlerweile ein so gut eingespieltes Team seid? Schon Pläne, welchen Berg (Sommer/Winter) Du als nächstes in Angriff nehmen willst?
Jeder Berg, jedes Abenteuer hat eine besondere Note. Ob Baffin, Karakorum, Yosemite oder Antarktis. Jede Expedition war außergewöhnlich und perfekt. Jedoch Patagonien ist für mich immer etwas Besonderes. Was vielleicht vor 8 Jahren das Yosemite war, ist für mich heute Patagonien. Ich bin in Patagonien noch nie gescheitert, auch wenn ich mal ohne Gipfel wieder die Heimreise antreten musste. Ich hatte immer eine besondere Zeit, die mich im Leben einen Schritt weiter brachte.
Alexander hatte in diesem Sommer einen anderen Plan. Wir werden in Zukunft viel zusammen am Weg sein, aber hin und wieder gehen wir eigene Wege. Das ist auch gut so, und wo es hingehen wird? Vielleicht…. Lasst euch überraschen, wir haben ja noch so viele Pläne und wenn es die Gesundheit zulässt, schaffen wir auch den ein oder anderen Gipfel ((-;